Samstag, 10. Februar 2018

10. Februar 2018 - Gab es keinen anderen Weg?



Gab es keinen anderen Weg?

Auf dieser oben abgebildeten Brücke (die sogenannte Zoobrücke) treffe ich oft einen der größten Eisenbahn-Fans, den ich kenne (wenn ich mal davon absehe, dass ich gar keine anderen Fans kenne, halte ich ihn dennoch für einen ziemlich großen). Der Mann, knapp über 70 Jahre alt, fotografiert hier die Güterzüge, die unter der Brücke fahren.

Neben Zügen aller Art fotografiert er Greifvögel - seine Foto-Sammlung ist auf etwa 500.000 angewachsen - in wie vielen Jahren, weiß ich nicht. Man oder frau interessiert sich viel zu wenig für Menschen, die man im Vorübergehen trifft.

Und diesen Mann kenne ich auch nur flüchtig, und ich weiß nicht einmal seinen Namen. Als ich ihn allerdings einmal bei starker Sonneneinwirkung darauf hinwies, dass er doch besser einen Hut tragen sollte,

erfuhr ich, dass er bereits Hautkrebs - und nicht nur diesen gehabt hat.

Das erzählte er mir sehr sachlich und ohne Anflug von Selbstmitleid. - Sein ewig melancholischer Zug um die Mundwinkel spricht aber auch die Sprache von vielem körperlichen Leid. Ob es ins Seelische übergegangen ist, weiß ich natürlich nicht,

aber genau das dachte ich kurzzeitig.

Ich treffe ihn regelmäßig mehrmals jede Woche, denn diese Brücke führt auch in unseren Wald, in den ich täglich gehe, um meinen beiden Hunden (und mir selber) viel Freude in der Natur zu bieten.


Vor etwa drei Wochen stürzte sich ein Mensch von einer oder vielleicht auch dieser Brücke - es gibt mehrere in unmittelbarer Nähe - vor einen Zug.

Von dem Zeitpunkt an traf ich den Eisenbahn-Fan nicht mehr.

Dass er der Selbstmörder sein könnte, kam mir nach ein paar Tagen in den Sinn, weil die Umstände ein bisschen passend sind:

Eisenbahn-Fan, sehr krank, melancholisch, männlich (diese Todesart sehe ich nämlich eher als eine von Männern gewählte an).


Die Auflösung

Jeder Tag, der verging und an dem ich ihn nicht traf, wurde mein Verdacht größer.

Doch:

Gestern habe ich ihn an seiner üblichen Stelle wieder getroffen. Und er war auch an vielen Tagen seit dem Todessprung eines anderen Menschen dort gewesen -

nur unsichtbar für mich. Denn er war unter die Brücke gegangen, um die Züge aus einer anderen Perspektive zu fotografieren.


Es bleibt

die Tatsache, dass ein verzweifelter Mensch von der Brücke vor einen Zug und in den Tod gesprungen ist. Dieser unglückliche Mensch hat den

betreffenden Lokführer in sein Verderben mit hinein gerissen. Mitleidslos gegen den eigenen Körper und die Seele eines Lokführers hat jemand seinem Leben ein dramatisches Ende gesetzt.

Hineingezogen hat dieser Mensch außerdem noch die Polizisten, die sich die Überreste ansehen - und diejenigen, die diese am Ende beseitigen mussten. Selbst erfahrene Helfer geraten da schon mal an ihre Grenzen.

Gab es keinen anderen Weg?


Guten Tag, Gruß Silvia






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen