Samstag, 3. Juni 2017

3. Juni 2017 - Eines Tages sterben mit mir zwei Familienzweige aus ...


Eines Tages sterben mit mir zwei Familienzweige aus

und obwohl mich diese Tatsache in keiner Weise erschreckt oder gar betrübt, möchte ich darüber erzählen,

denn es kann sein, dass es vielen anderen ähnlich geht:

Ein kurzer Fakten-Check:

Die drei älteren Brüder meiner Mutter sind im 2. Weltkrieg geblieben - auf die eine oder andere Weise,

vieles liegt bis heute im Dunkeln. Einiges weiß ich.

Mein Vater hatte zwei Brüder, einen jüngeren und einen älteren. Der Ältere hieß Johannes und

war ein Opfer des Nazi-Regimes, vermutlich, denn

die Aussagen widersprechen sich hier. Fragen kann ich niemanden mehr.

Mein einziger Bruder ist bei einem Hotelbrand ums Leben gekommen.

Einerseits sind es also die Spätfolgen des 2. Weltkrieges, die das Aussterben zweier Herkunftsfamilien verursacht hat,

denn der jüngere und überlebende Bruder meines Vaters hatte zu seinem Leidwesen keine Kinder.

Andererseits ist es nicht ungewöhnlich, dass Menschen sich nicht fortpflanzen wollen,

denn so erging es mir:

Ich wollte keine Kinder. Warum auch immer, denn so genau kann und möchte ich das nicht erklären.

Als Pubertierende hatte ich meiner Mutter zwar hoch und unheilig versprochen

fünf Kinder von fünf Männern zu bekommen,

aber damit wollte ich sie lediglich erschrecken. Das hat dann auch ziemlich gesessen!

Denke ich an meine mir unbekannten Ur-Großeltern,

so hatten sie viel mehr Kinder als ihre eigenen später bekamen,

als wüssten sie bereits, dass

sie durch diverse Schicksalsschläge wie den 1. Weltkrieg

und damals noch nicht kurierbarer Krankheiten der Kinder

Vorsorge für den "Schwund des Schicksals" treffen mussten.

Bis heute bereue ich meine Kinderlosigkeit nicht und sehe sie keineswegs als Makel an oder dichte etwas Verpasstes hinein,

denn weder bin ich neidisch auf Menschen mit Kindern

noch traurig für die, deren Kinder sich nicht mehr um sie kümmern. That's Life! Gedanken an später haben mich bei meiner gewünschten Kinderlosigkeit niemals begleitet.

Dennoch ist mir klar,

dass mit mir gleich zwei Familienzweige eines Tages aussterben werden:

Die Familie Gehrmann, die jene meiner Mutter war,

und die meines Vaters.

Wenigstens trage ich bis heute den Nachnamen meines Vaters und ich denke gern an meine

Kindheit zurück,

an meine Eltern und die einzige Oma (mein Herz schlägt noch immer für sie), die ich hatte. Denn die anderen Großeltern hat ebenfalls der Krieg

aufgefressen oder eine Krankheit, verursacht durch einen sinnlosen Krieg (im Falle meines Großvaters väterlicherseits war es eine heute vorhersehbare und vermeidbare Krankheit nach dem Krieg).

In den Unterlagen meiner Mutter habe ich nach ihrem Tod 2010 einen sogenannten Arier-Nachweis

gefunden,

den damals alle Deutschen erbringen mussten.

Daraus ist für mich ersichtlich, wie weit sich ihre Familie zurückverfolgen lässt. Mein Vater hatte das nicht in seinen Papieren,

denn vermutlich hat meine Oma diesen menschenverachtenden Nachweis damals nach dem Krieg

mit Freuden entsorgt.

Mit diesen Gedanken, die überhaupt nicht weh tun, wünsche ich allen einen

schönen Samstag,

Gruß Silvia






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