Samstag, 17. Juni 2017

17. Juni 2017 - Ein Denkmal für "Hänschen" - Sie ist vor vielen Jahren an Krebs gestorben



Ein Denkmal für "Hänschen"

Schon so einigen Menschen (und auch mal einem Hund) habe ich hier ein virtuelles Denkmal gesetzt, und diesmal betrifft es Erinnerungen meiner Freundin

Silke, die Hänschen vor vierzig Jahren kennen gelernt hat.

Sie hieß wohl Hans mit Nachnamen, aber so genau weiß meine Freundin das nicht mehr. Vielleicht war es auch ein Spitzname.

In der Klinik, irgendwo in Deutschland, in der meine Freundin damals "Schwesternschülerin" war, lag Hänschen,

todkrank und trotzdem unvergessen für Silke.

Denn es gibt Menschen, die man in seinem ganzen Leben nicht mehr vergisst, und dazu gehörte Hänschen:

Sie hatte Unterleibskrebs,

aber von einem solchen Ausmaß, dass Silke erstaunt war, dass Hänschen überhaupt noch am Leben war,

denn der gesamte Unterleib dieser tapferen, damals etwa fünfundfünfzigjährigen Frau

war "weg gefressen" in der Größe eines Eimers (um das mal drastisch darzustellen).

Jeden Tag haben die Krankenschwestern totes Gewebe mit einer sterilen Schere weg geschnitten und 50 Meter Tamponade in das klaffende Geschwür gelegt, denn natürlich nässte dies ohne Ende.

Und es duftete in diesem Zimmer natürlich nicht nach Rosen ...

dennoch belegte die zuständige Stations-Nonne das Drei-Bett-Zimmer regelmässig mit anderen Patientinnen.

Die meisten konnten den fürchterlichen Gestank nach Verwesung bei lebendigem Leib nicht aushalten ... und mussten verlegt werden.

Doch einige der Patientinnen waren so hingerissen von dem Charakter von Hänschen,

dass sie sich weigerten, ein anderes Zimmer zu bekommen.

Hänschen bekam nie Besuch von Angehörigen - und Silke erinnert sich nicht, ob sie überhaupt noch welche hatte - oder ob sie einfach keinen Besuch wünschte.

Vieles ist Silke im Laufe der Erinnerungen verloren gegangen, aber nie hat sie den Menschen hinter der entsetzlichen Krankheit vergessen.


Alle vier Stunden Polamidon

bekam Hänschen gegen Schmerzen, die nicht von dieser Welt gewesen sein mussten.

Palliativ-Stationen gab es damals noch nicht, genauere Dosierungen auch nicht - aber es kann immer schlimmer kommen, als man denkt -

denn die Stations-Nonne,

angefixt durch eventuelle Kosten,

spritzte ihr so oft es ging nur Aquadest. - Steriles Wasser!


Hilf mir zu sterben

bat Hänschen vermutlich jeden und jede, die auf dieser Station arbeiteten. Silke bat sie, ihr auf die Fensterbank zu helfen,

damit sie sich hinunter fallen lassen könnte.

Silke war damals blutjung und jeder hätte am Ende gewusst, dass Hänschen es nicht ohne Hilfe ans offene Fenster geschafft hätte.

Willst du mich für mein Leben lang unglücklich machen, fragte sie die Todkranke, ich bin sooo jung, und ich darf das nicht, denn das wäre Mord.

Nach so manchem Arbeitstag ging Silke ratlos hin- und herschwankend zwischen Recht und Gerechtigkeit nach Hause,

aber am Ende

hat Hänschen niemand direkt, sondern nur indirekt beim Sterben geholfen.

Sie haben ihr, so oft es ging, Morphium (über den Dummkopf der Stations-Nonne hinweg) verabreicht. Denn auch das beschleunigt den in diesem Fall ohnehin unvermeidlichen Tod.


Hänschens Beerdigung

Irgendwann, nach großen Qualen, hatte Hänschen es endlich geschafft. Das war ein Freudentag, obwohl Tränen der Trauer flossen:

Das wunderbare Hänschen hatte sich auf den Weg gemacht. Die Schmerzen hatten ein Ende.

Zur Beerdigung gingen alle Stations-Angestellten, die an diesem Tag und zu dieser Stunde nicht gerade Dienst hatten.

Silke hatte Dienst, denn sie mochte es noch nie in ihrem Leben, an offenen Gräbern zu trauern. Man mag sie feige nennen - aber man kann es ihr auch nachsehen. Vielleicht.


Fazit

Dieses "Hänschen" hat mit großer Würde und jeder Menge Humor - woher sie den genommen hat, unbegreiflich - ihr Schicksal angenommen, sie war niemals ungerecht oder verbittert - sie wollte allerdings und unbedingt so schnell wie möglich sterben.

Und wenn Silke noch heute, nach vier Jahrzehnten an sie denkt, so werden es sicherlich auch die anderen tun,

denen Hänschen auf der Gynäkologischen Station dieses Krankenhauses irgendwo in

Deutschland

gezeigt hat, zu welchen Höchstleistungen Menschen fähig sind.


Guten Tag, Gruß Silvia




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